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Wahrnehmungsauffälligkeiten bei Kindern – WAS NUN?

Im Zentrum des 12. Grundschullehrer- und Erziehertages stand in diesem Jahr das Thema „Wahrnehmungsauffälligkeiten bei Kindern – WAS NUN?

Fast 80 ErzieherInnen und GrundschullehrerInnen trafen sich am 15. September 2017 zu einem umfangreichen Fortbildungsprogramm im schönen Ambiente des art’otels in Dresden. Einstimmig wurden bessere Arbeitsbedingungen von allen TeilnehmerInnen gefordet. PädagogInnen stehen täglich vor der Herausforderung für alle Kinder da zu sein und gleichzeitig auf die Bedürfnisse eines einzelnen eingehen zu können. Das ist allen bekannt. Es gibt auch kein Erkenntnisproblem mit dieser Tatsache, sondern ein Umsetzungsproblem in der Praxis. Weil Kinder Zeit brauchen, brauchen auch die PädagogInnen Zeit für die Sicherstellung und Entwicklung der guten Qualität der Arbeit. Um die Frage nach dem „Was nun?“ zu beantworten, wurden Ressourcen, die allen KiTas und Grundschulen zur Verfügung stehen oder auch fehlen in Workshops, in der aktuellen Stunde mit Vertretern des Sächsischen Kultusministeriums und im Hauptreferat genauer betrachtet.

Vormerken! Der 13. Grundschulleher- und Erziehertag findet wieder als Ganztagesveranstaltung im nächsten Jahr am Freitag, dem 26. Oktober 2018 statt.

Von Stressbewältigung bis Integration

Unter vier Workshops konnten die Teilnehmer auswählen. Sascha Möckel von der Projektschmiede Dresden vertiefte Haltungen und Methoden zur Stressbewältigung und Stressvermeidung. Michaela Merker, Referentin für den Sozial- und Erziehungsdienst im SEV, zeigte neue Handlungsstrategien im Umgang mit Kindern, die spezielle Aufmerksamkeit benötigen, mit Hilfe der Kollegialen Fallberatung auf. Monika Müller, Leiterin der KiTa „Sonnenland“ in Oederan stellte eine Vielfalt an einfach anzuwendenden Methoden aus der Pädagogik von Friedrich Fröbel vor. Zum Bildungskonzept von Friedrich Fröbel gehören die von ihm entwickelten und didaktisch ausgearbeiteten Spielmaterialien mit einem durchgängig ganzheitlichen, mathematisch-naturwissenschaftlichen und ästhetischen Konzept für Kinder vom Säuglings- bis zum Schulkindalter. Auch heute helfen sie Kindern noch, sich besser zu konzentrieren. Von zahlreichen Ideen zur Gestaltung der Erziehungspartnerschaft mit Eltern profitierten die Teilnehmer des Workshops mit Swetlana Kreismannn, Leiterin der KiTa „Kleiner Globus“ in Dresden. Deren vielfältige Erfahrungen stammen aus einer Einrichtung mit weit über 50 Prozent an Kindern mit Migrationshintergrund.
Im abschließenden Plenum hatten alle Anteil an den reichhaltigen Informationen aus den Workshops.

Die aktuelle Stunde mit den Vertretern des Kultusministeriums

Herr Schlosser, Leiter des Referats 42 für Kindertagesbetreuung im SMK, berichtete über die verschiedenen Projekte, die im Bereich der Kindertagesbetreuung zurzeit laufen. In der anschließenden Diskussion wurde jedoch deutlich, dass zusätzliches Personal nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die tatsächliche Erzieher-Kind-Relation weit über dem Personalschlüssel von zurzeit 0,9:20 im Hort, 1:12 im Kindergarten und 1:5,5 in der Krippe liegt. Die Anwesenden fanden deutliche Worte: Zur Bewältigung der ständig wachsenden Aufgabenfülle muss es auch die notwendigen Rahmenbedingungen geben. Michaela Merker, Referentin für den Sozial- und Erziehungsdienst im Sächsischen Erzieherverband forderte erneut verbindliche Vor- und Nachbereitungszeiten für alle ErzieherInnen: „Zeiten mit den Kindern und neben den Kindern müssen ErzieherIinnen in den Krippen, Kindergärten und Horten in ausreichendem Umfang zu Verfügung stehen. Damit frühkindliche Bildung gelingen kann, sind gegenfinanzierte Vor- und Nachbereitungszeiten unerlässlich.“ Herr Schlosser informierte über ein Qualitätsentwicklungsgesetz, welches zurzeit auf Bundesebene in Arbeit ist. Mit Inkraftsetzung stünden Sachsen zusätzliche Gelder für die Kindertagesbetreuung zur Verfügung. Allerdings ist die Zeitschiene für die Verabschiedung noch nicht wirklich greifbar.

Herr Neun, Leiter des Referats 43 für Grund- und Förderschulen im SMK, legte die grundlegenden Änderungen im Schulgesetz dar, welche zu unterschiedlichen Terminen in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Arbeitshefte für emotionale und soziale Auffälligkeiten mit vielen praktischen Beispielen sind in Arbeit. Im Anschluss stellten die Teilnehmer fest, dass die hervorragende Qualität des Unterrichts aufgrund der akuten Personalsituation immer mehr in den Hintergrund rückt. Die Zahl der Seiteneinsteiger ist derart gestiegen, dass die GrundschullehrerInnen unheimlich viel Kraft und Zeit für ihre Einarbeitung investieren müssen. Eine ausreichende Wertschätzung der enormen Leistungen der GrundschullehrerInnen vonseiten des SMK und des Finanzministers fehlt in ihren Augen bislang.

Deshalb fordert Renate Eichele, Vorsitzende des Fachverbandes Grundschule, Arbeitserleichterungen und eine bessere Bezahlung für GrundschullehrerInnen: „Die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen haben in den vergangenen Jahren über ihre Kräfte hinaus hervorragende Leistungen erbracht. Damit steht der Freistaat Sachsen überall im Vergleich auf Spitzenplätzen. Aktuell stellen sie sich zusätzlich der Ausbildung des Lehrernachwuchses in hoher Zahl sowie der Qualifizierung von Seiteneinsteigern. Dafür müssen an anderer Stelle Arbeitserleichterungen erfolgen! GrundschullehrerInnen sind neben ihrem Anspruch auf hohe Qualität im Unterricht auch Mentoren, Ausbilder, Psychologen, Sozialpädagogen, Sonderpädagogen und vieles mehr, aber die Lehrergruppe mit dem geringsten Verdienst. Die Entgeltgruppe 13 ist längst überfällig!“

Mit Beifall wurde auch aufgenommen, dass nach langem Kampf des SLV die bewährten Förderschulen erhalten bleiben. Die PädagogInnen kritisierten das dafür neu aufgelegte Pilotprogramm zur Integration/Inklusion jedoch stark. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen (fehlende pädagogische Fachkräfte, Räumlichkeiten) sei es in den nächsten vier Jahren zum Scheitern verurteilt.

Hauptreferat zu Wahrnehmungsauffälligkeiten

Der Hauptreferent Herr Dr. Sven Lychatz, Leiter des Instituts für systemisch-integrative Lerntherapie Leipzig, zeigte Probleme auf, die uns schon jetzt beschäftigen und in Zukunft erheblich an Brisanz gewinnen. Er arbeitet mit Kindern und Jugendlichen, die Teilleistungsstörungen, wie Legasthenie oder Dyskalkulie/Rechenschwäche vorweisen, oder unter Erkrankungen, wie Alkoholsucht im Kindesalter, leiden.

Untersuchungen hätten ergeben, dass schon heute über 50 Prozent der Kinder aufgrund von Wahrnehmungsverzögerungen den geforderten Lehrplan nicht erfüllen können. Ein Bereich, der nicht so im Fokus steht, ist der Gleichgewichtssinn. Er beeinflusst die grobmotorische Wahrnehmung und die Raum-/Lageorientierung maßgeblich mit. Außerdem beeinflusst er nicht nur die sportlichen Leistungen, sondern auch die Sprach- und Mathematikkompetenz. So haben Kinder mit einer Lese-Rechtschreibschwäche zu 47 Prozent Störungen im grobmotorischen Bereich und zu 16 Prozent im feinmotorischen Bereich. Mit sechs Jahren, wenn die Kinder zu uns in die Schule kommen, sind übrigens schon 85 Prozent der Wahrnehmungsleistungen voll ausgebildet. Das zeigt, welch große Verantwortung schon Eltern und Erzieher in den Kindergärten für den späteren Bildungsweg der Kinder haben.

Ein weiterer Teil des Vortrages zeigte den Zusammenhang von Wahrnehmungsstörungen und Reizüberflutung auf. Der Einfluss auf die Wahrnehmungsstörungen betrage ca. 80 Prozent. Wir waren erstaunt und erschrocken, wie viele Stunden Kinder durchschnittlich mit elektronischen Medien zubringen. Hier nur zwei Beispiele aus einer kanadischen Studie: Bei Kindergartenkindern beträgt dort die durchschnittliche Nutzungsdauer 6,5 Stunden, bei Grundschulkindern 8,5 Stunden. Zu elektronischen Medien zählen natürlich auch das Radio und der Fernseher. Verschiedene Studien haben den negativen Einfluss digitaler Medien auf das Lernen erwiesen. Herr Dr. Lychatz formulierte den Appell an uns: Fördern Sie Medienkompetenz nicht Mediennutzung.

Es kommt darauf an, die Fähigkeit zu entwickeln, eine sinnvolle Auswahl zu treffen.

Erstaunliche Forschungsergebnisse wurden auch zum Thema der bilingualen Erziehung präsentiert. Die Auswirkungen seien ein verzögertes Lernen der Muttersprache, geringer Wortschatz in beiden Sprachen und Schwierigkeiten beim Grammatikerwerb. Das habe eine Benachteiligung im Schriftspracherwerb zur Folge. Hierzu gab es im Anschluss kontroverse Gespräche mit dem Publikum.

Es gibt übrigens eine Gruppe in Brüssel, die europaweit Ausbildungsgänge für die Integration und Inklusion plant. Herr Dr. Lychatz ist dort Mitglied. Ab 2031 sind erste Studien- und Ausbildungsgänge vorgesehen. Ab 2036 rechnet man mit den ersten ausgebildeten LehrerInnen an den Schulen.

Zum Vortrag „Wahrnehmungsstörungen und Auswirkungen auf den Erwerb der Kulturtechniken“ Dr Sven Lychats

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